Posts tagged cycling
Wenns obe schifft und unde seicht, sisch guets Valser Wasser

Um zu testen ob wir nun wirklich, wirklich noch fit sind, entscheiden wir uns durch die Pyrenäen zu fahren. Die erste Kostprobe gibt es, als wir von Frankreich an der Küste entlang nach Spanien fahren. Fast oben auf dem kleinen Pass überholen wir eine andere Radfahrerin, welche auch ziemlich beladen ist. Sie schiebt das Velo zu diesem Zeitpunkt und ruft uns ein «Bravo» zu. Aber eigentlich hat sie das «Bravo» verdient. Sie ist nämlich im Minirock und Plateau-Stöckelschuhen unterwegs. Hat so schon mal jemand ein Rad mehrere Kilometer in der Pampa hochgeschoben? Wir müssen lachen und rätseln, in welchem Business die Dame wohl tätig ist.

Oben auf dem Hoger

Oben auf dem Hoger

In Donostia/San Sebastian angekommen, treffen wir unsere Freundin Nadine. Um unsere Energiespeicher wieder so richtig zu füllen, verbringen wir die Tage mit dem Essen der traditionellen baskischen belegten Brötchen (Pintxos) und dem passenden Vino oder Cerveza. Anscheinend werden in jedem Restaurant der Wahl nur 2-3 Brötchen gegessen und dazu ein Glas getrunken, danach geht’s in die nächste Beiz. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Nadine hat auch keine Mühe gescheut und für uns Raclette inkl. Kerzli-Öfeli mitgeschleppt. Dieses geniessen wir oben bei der spanischen Version vom «Monte Christo» mit super Aussicht auf die Stadt.

Da braucht es schon mindestens zwei Personen um zu schauen ob der Käse gut schmilzt

Da braucht es schon mindestens zwei Personen um zu schauen ob der Käse gut schmilzt

Nun sind wir bereit für die zweite Runde Pyrenäen. Adeline hat Stunden damit verbracht um die richtige Passwahl zu treffen. Die Entscheidung fällt auf den Coll de la Creueta und den Col de Creu. Ersterer bringt uns bis auf 1888 Meter. Nur gibt es oben nicht mal ein Schild für das Beweisfoto! Skandal! Naja, gesehen hätte man darauf sowieso nicht allzu viel. Die Sicht ist nämlich schlecht und natürlich regnet es. Immerhin gibt es auf den Nachbarhügel eine Bergbeiz. Hier kriegen wir eine heisse Schoggi aus dem Glas, aber in der Mikrowelle für uns aufgewärmt. Wir wollen uns trotzdem nicht beklagen. Bei nur 4.5 Grad tuts trotzdem gut.

Coll de la Creueta, geschafft!

Coll de la Creueta, geschafft!

Der Aufstieg auf den Col de Creu ist sehr dankbar. Es sind nämlich am Schluss nur noch etwa 200 Höhenmeter, der Rest war auf die Strecke verteilt. Oben angekommen regnet es zwar nicht, da wir aber im Wald sind, gibt es auch hier keine Aussicht zu geniessen… Die anschliessende Abfahrt ist super, nämlich 1600 Höhenmeter Downhill über ungefähr 30 Kilometer verteilt. Der einzige Wehrmutstropfen, als wir mit der Abfahrt beginnen, fängt es an zu regnen und will und will einfach nicht mehr aufhören. Wir geniessen es trotzdem und freuen uns, dass wir Abends unser Zelt in einem Unterstand auf dem Camping aufstellen können und so immerhin bis am Morgen trocken bleiben.

« Vous êtes bien chargées »

Diesen Satz hören wir in Nordfrankreich mindestens einmal am Tag. Manchmal sogar noch vor «Bonjour». Die meisten meinen es vermutlich nicht böse und teilen uns einfach ihre Feststellung mit. Und recht haben sie ja schliesslich auch. Im Vergleich zu den meisten anderen Radtouristen welche hier unterwegs sind, sind wir wirklich «bien chargées».

Ein Velofahrer, den wir getroffen haben, kann sich fast nicht mehr erholen: «Mais vraiment??? Mais vous avez pris quoi??!!!» Er selber ist unterwegs in die Mongolei, also nach dem er den Winter irgendwo in Spanien verbringen wird. Sein Decathlon Fahrrad ist mit drei kleinen Taschen beladen, oben drauf ein dünner Sommerschlafsack und ein Zelt. Ist ja schon schön so richtig leicht unterwegs zu sein. Hat vermutlich etwas Befreiendes, da bin ich mir ganz sicher. Und trotzdem finden wir «c’est pas tes onions!», nach all dieser Zeit müssen wir uns doch nicht für unser Gepäck entschuldigen, oder?

Zugegeben: von ultralight sind wir weit entfernt. Trotzdem haben wir schon ein paar Kilometer auf dem Buckel

Zugegeben: von ultralight sind wir weit entfernt. Trotzdem haben wir schon ein paar Kilometer auf dem Buckel

Tauschen möchte ich sowieso nicht. Wenn es kalt ist draussen, kuschle ich mich gerne in meinen riesigen Schlafsack, der auch bei -10 Grad noch warm gibt. Wenn meine Kleider nach der Handwäsche bis zum nächsten Tag nicht trocken wurden, ziehe ich mir gerne etwas Frisches aus meinem übergrossen Kleidersack an. Wenn ich zum Nachtessen ins Restaurant will, dann nicht unbedingt in der gepolsterten Radlerhose und dem Shirt mit dem Salzrand, welches schon total verschwitzt ist. Und wenn mein Rad einen Platten hat, wechsle ich einfach den Schlauch und flicke das Loch am Abend. Kleine Dinge würde man meinen, welche aber aus meiner Sicht einen riesen Unterschied im Wohlbefinden ausmachen können. Da bin ich ganz gerne «bien chargée»!

Die E-Bikes sind los!

Flussradwege ziehen viele Touristen an, so auch an der Elbe, dem Main und dem Rhein. Was auffällt ist, dass wir praktisch die einzigen sind, welche mit einem «normalen» Velo unterwegs sind. Am Mainradweg flitzen jede Menge E-Bikes an uns vorbei. Alle mit einer Ortlieb oder Vaude-Tasche ausgestattet. Die Bikes glänzen in der Sonne. Vermutlich wird am Samstag neuerdings das E-Bike gewaschen und nicht mehr das Auto. Es sind nicht nur ältere Semester so unterwegs, die E-Geschichte zieht sich durch alle Altersschichten. Wir sehen einmal sogar Kinder mit den unterstützten Bikes.

Ein bisschen eifersüchtig sind wir ehrlich gesagt manchmal schon, aber dann doch nur manchmal. Schliesslich ist hier alles mehr oder weniger flach und wo genau sollten wir den Akku denn auch aufladen? Naja, natürlich sind ein paar Städtchen und Dörfer auch hier sehr modern. So gibt es teilweise Ladestationen an welchen die ganzen Akkus eingesteckt werden können, während dessen kann man an der Eisdiele nebenan mal gemütlich einen «Dschelato» geniessen. Wieso auch nicht, der Bedarf scheint jedenfalls da zu sein.

Je näher wir an Frankfurt kommen, desto anders sieht die Welt aus. Hier sind E-Bikes eher eine Seltenheit und wir fühlen uns nicht mehr so alleine gelassen mit unseren Old School Rädern. Die Business Leute rasen ganz casual mit ihren «Stadtgöppeln» zum Arbeitsplatz, dies ganz ohne Antrieb. So geht’s also auch immer noch.

Business Leute mit dem Rad in Frankfurt

Business Leute mit dem Rad in Frankfurt

Woher diese merkbaren Unterschiede kommen, finden wir nicht heraus. Wir sind nur froh, dass es ausser uns noch ein paar andere gibt, welche ganz auf Muskelkraft setzen. Und den leeren Akku tanken wir lieber mit leckerem deutschem Brot als mit Strom.

Schaut euch noch unsere Bilder und das kurze Video an… bis bald!

Vater unser im Himmel

Ziemlich schnell wird uns klar, dass die Kirche in Polen nach wie vor eine sehr grosse Rolle spielt. Alle jungen Pärchen, welche wir kennenlernen, sind entweder verlobt oder schon verheiratet. Egal ob sie erst seit einer, für unsere Verhältnisse, eher kurze Zeit zusammen sind. Gefeiert wird die Trauung traditionellerweise mit der ganzen Familie. Die Braut lädt jeweils ein. Doch wenn schon die Familie des Bräutigams um die 80 Leute sind, dann kann das Ganze schon Schwierigkeiten mit sich bringen. Wo sollen nur schon all die Menschen schlafen? Und woher kommt das Geld um alles zu bezahlen? Zudem dauert so eine Feier nicht einfach nur einen Nachmittag/Abend sondern gleich zwei Tage, inklusive Übernachtung.

Von einem unserer Warmshowers Hosts erhalten wir die Nummer von Vater Thomek. So landen wir zu unserer Überraschung bei einem religiösen Zentrum, in welchem wir nächtigen dürfen. Hier zum Beispiel hätte es genügend Platz für 120 Eingeladene. Es handelt sich nämlich um ein Hotel mit einem riesigen Gemeinschaftsraum. Gleichzeitig mit uns ist tatsächlich auch eine Hochzeitsgesellschaft da. Sie belegen schon alle Zimmer, deshalb schlafen wir in einem Gebetsraum. Hier gibt es auch «Instant-Kruzifixe», falls man den eigenen vergessen hat.

Vor unserer Abfahrt posen wir noch mit Emil, der uns hier sehr herzlich empfangen hat

Vor unserer Abfahrt posen wir noch mit Emil, der uns hier sehr herzlich empfangen hat

Die Leute in diesem Zentrum sind unglaublich freundlich zu uns. Wir kriegen ein riesen Abendessen aufgetischt, Fisch weil Freitag ist. Und später werden wir noch zum Eis essen eingeladen. Geld oder eine Spende wollen sie nicht. Sie sind nämlich auch Radfahrer und freuen sich die Gastfreundschaft zurück zu geben. Auf ihren Touren haben sie jeweils ein bisschen eine andere Mission als wir. Sie wollen vor allem Gott näherkommen. Dies erreichen sie, in dem die Tagesetappen ziemlich hoch gesetzt sind, mindestens 150 km. Wenn man den eigenen Grenzen nahekommt, ist man auch Gott nahe, oder so.

Generell ist bei den Gottesdiensten ist auch ziemlich was los. Manchmal finden am Sonntag zwei Messen statt, damit alle Platz haben oder aber die Leute versammeln sich vor dem Eingang. Wenn nämlich die Nachbarn merken, dass man nicht da ist, gibt dies eine Menge zu reden. So nehmen auch Junge an den Messen teil, nur damit sie nicht zum Dorfgeschwätz-Thema werden. Ist natürlich auch eine Möglichkeit die Kirchenbänke zu füllen.

Nicht alle Polen sind scheu. Frank kreuzt uns und beschliesst uns spontan zu begleiten

Nicht alle Polen sind scheu. Frank kreuzt uns und beschliesst uns spontan zu begleiten

Im Allgemeinen haben wir die Leute auf der Strasse als eher zurückhaltend erlebt. Bei unseren Gastgebern wars jedoch ganz anders. Wir wurden immer herzlich empfangen und an Essen fehlte es nie. Unsere Bäuche wären jedenfalls ziemlich voll als wir an der Tschechischen Grenze ankamen.

...vergiss nicht die Fotos und das Video zu kucken :-)

Kulturschock Nordosteuropa

Kaum über die Grenze zu Ungarn fahren wir auf einem schönen Veloweg. Es gibt wieder Campingplätze und Autofahrer bremsen für Fussgänger wie auch für Tiere; denn die Roadkills haben auch deutlich abgenommen. Während wir uns fragen wo wir hier gelandet sind, flitzen Rennradfahrer in schnittigen Lycra-Tenues an uns vorbei. Jedenfalls scheint Rad fahren hier wieder gross in Mode zu sein, was wir natürlich super finden.

Es gibt wieder relativ gut ausgebaute Radwege

Es gibt wieder relativ gut ausgebaute Radwege

In Ungarn übernachten wir bei so vielen Hosts wie schon lange nicht mehr. Nicht mal jede zweite Nacht verbringen wir auf dem Camping. Es freut uns auf so eine grosse Gastfreundschaft zu stossen.

Über Couchsurfing schreiben wir zwei Leute an welche in unterschiedlichen Orten wohnen. Es stellt sich aber heraus, dass sich die beiden kennen und zu dieser Zeit gemeinsam in der Ukraine sind. Also organisieren sie für uns einen anderen Host in einem anderen Dorf. So kommt es, dass wir bei Jonas und seinem Bruder landen. Die beiden Teenager erfreuen sich an unserem selbstgekochten Curry, dies sei doch viel besser als Cornflakes. Auch können sie sich nicht daran erinnern, jemals so viel Gemüse auf einmal gesehen zu haben. Umso besser wenn’s trotzdem schmeckt. Um den Abend etwas spassiger zu gestalten, spielen wir das altbekannte Trinkspiel «Meier», hierzulande «Meja». Nur dass unser Host nicht trinkt (temporär, wegen einer Wette), also muss eine andere Bestrafung her. Jeder, der verliert, muss ein Stück Chilischote essen. Eine scharfe Angelegenheit. Zur Abkühlung hat er immerhin noch etwas Joghurt und Brot bereit. Als die Chilischote endlich fertig gegessen ist, gehen die beiden Jungs ins Bett. Zehn Stunden Schlaf müssen es mindestens sein. Als wir uns am nächsten Tag auf den Weg machen, sind die beiden jedenfalls noch im Tiefschlaf.

Der Innenhof bei unseren Gastgebern

Der Innenhof bei unseren Gastgebern

In Budapest surfen wir wieder auf einer Couch, respektive auf einem Bett. Unsere Hosts sind beide sehr an Politik und anderen aktuellen Themen interessiert. So finden wir heraus, dass Andreas auch schon übers Auswandern nachgedacht hat. Aber aus einem unterschiedlichen Grund als anderswo, nämlich dass er sich nicht mit der rechtspopulistischen Politik des Landes identifizieren kann. Am liebsten möchte er gar nichts mehr mit dem Land zu tun haben. Als Beispiel nennt er uns bspw einen Abend bei seiner Familie, welche vor Jahren aus Rumänien eingewandert ist. Stammtischparolen über Migranten, welche zu tausenden in Ungarn einwandern und von der Wirtschaft profitieren wollen. Als Andreas nebenbei bemerkt, dass sie doch auch Wirtschaftsflüchtlinge waren, wird es  still am Tisch…