Tito ist tot, doch lebt er weiter

Auf diesen Abschnitt der Reise haben wir uns besonders gefreut! Was ist aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens geworden? Wie haben sie sich entwickelt seit dem Zerfall und was für Geschichten werden wir zu hören kriegen?

Nach Italien verlassen wir die Küste und strampeln uns nach Slowenien hoch. Von einem Tag auf den anderen sind wir umringt von bunten Laubbäumen, welche von der tiefliegenden Sonne golden leuchten. Das Wetter ist auf unserer Seite. Neu ist auch die Karstlandschaft, welche unglaublich viele Höhlen bildet. Eine der grössten, die Höhlen von Škocjan, lassen wir uns nicht entgehen.

In den Höhlen von Škocjan

In den Höhlen von Škocjan

Nach ein paar Tagen nehmen wir vom Landesinneren wieder Abschied und fahren Richtung Küste. Von hier aus führt uns die weitere Route mehrheitlich der Adria lang. Doch es gibt hie und da immer wieder ein Highlight, weiter landeinwärts, welches wir uns nicht entgehen lassen wollen. Teilweise fahren wir dann mit dem Fahrrad zickzack weiter, oder wenn der «Umweg» zu gross ist, lassen wir unser Material wo es ist und nehmen einen Bus.

Wir sind weit und breit die einzigen und haben die ganze Landschaft für uns allein

Wir sind weit und breit die einzigen und haben die ganze Landschaft für uns allein

Ljubljana ist so ein Beispiel. Da lassen wir alles in Rijeka und verbringen 2 Tage in der Stadt ohne Fahrrad. Hier wird das Thema Tito, Jugoslawien und der Krieg erstmals aufgebracht. Uns wird bewusst, dass dies in der Schulzeit nie gross angesprochen wurde, obwohl damals bis hauptsächlich zur 6. Klasse hie und da ein neuer Klassenkamerad aus dem Osten zu uns gestossen ist. Schade eigentlich, denn es hätte die Integration bestimmt erleichtert, hätten wir deren Geschichte zu hören gekriegt.

Der Laibach (Ljubljanica)

Der Laibach (Ljubljanica)

Als wir anschliessend die Grenzen nach Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro übertreten, fallen uns einige Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten auf. Zum einen die Sprache: Serbokroatisch war von 1954 bis 1992 neben Slowenisch und Mazedonisch eine der Amtssprachen des ehemaligen Jugoslawien. Slowenen verstehen Serbokroatisch und auch umgekehrt. Nach dem Zerfall wurden den Sprachen jedoch eigenständige Bezeichnungen gegeben wie etwa Kroatisch oder Montenegrisch. So wie wir mitgekriegt haben, sind es eher unterschiedliche Dialekte. In Serbien überwiegt das kyrillische Alphabet, wobei in den anderen Ländern das lateinische verwendet wird.

Weitere Gemeinsamkeiten sind Rakija (Obstbrand), Ćevapi, Ajvar, Burek (und schon wieder dreht sich alles ums Essen…), kristallklares Meer, die Gastfreundschaft und dass (fast) alle Tito liebten. Übrigens wird man hier gerne mal zu einem Gläsli Rakija eingeladen, ablehnen gilt als unhöflich. Oft handelt es sich um Eigenbrand und wird auch gerne mal zum Zmorge getrunken. Wir kamen glücklicherweise meistens erst nach der Ankunft am späten Nachmittag in den Genuss. Ist aber auch nicht ohne, wenn man nach einem Tag auf dem Velo absteigt und gleich einen Schnaps oder auch mehrere trinken darf.
Leider ist uns auch aufgefallen, dass gerne Abfall «entsorgt» wird, wo es einem gerade passt. Die Slowenen sind hier ganz klar am besten aufgeklärt, Ljubljana sogar eine sehr vorbildliche grüne Stadt. In den anderen besuchten Ländern läuft man mit mindestens 5 Plastiksäcken aus dem Supermarkt, wenn man sich nicht vehement dagegen wehrt. Diese werden dann wohl bei der nächsten Gelegenheit irgendwo in der Natur «liegengelassen». Genauso wie Kaffeebecher, Plastikflaschen, alte Sofas oder Fernseher. Sehr schade, denn eigentlich wäre es überall so schön.

Selbstgebrannter Rakija, unmittelbar nach der Ankunft auf dem Campingplatz. Es soll nicht der letzte gewesen sein...

Selbstgebrannter Rakija, unmittelbar nach der Ankunft auf dem Campingplatz. Es soll nicht der letzte gewesen sein...

Nach Slowenien erkunden wir einige Inseln von Kroatien wie Krk, Rab und Pag, bevor wir in Zadar wieder aufs Festland kommen. Die Strände laden uns mehr als nur einmal zum baden ein. Die Vielfalt hier ist grossartig. Nebst dem türkisfarbenen Meer geniessen wir im Winnetou-Land bei den Plitvicer Seen unzählige Wasserfälle oder tauchen in Städten wie Dubrovnik und Split in fast 2000-jährige Geschichte ein. In Split besuchen uns dann auch Sandras Eltern für ein paar Tage und wir geniessen mit ihnen die Ferien von den Ferien.

Im Nationalpark Plitvicka jezera

Im Nationalpark Plitvicka jezera

Von Split aus fahren wir etwas ins Landesinnere bis nach Mostar in Bosnien Herzegowina. Von hier aus schnappen wir uns den Bus nach Sarajewo. Im Bus lernen wir einen Mann kennen, welcher sogar schon mal in der Schweiz war. Auf die Frage, wo denn genau, antwortet er mit «Thorberg». Wir konnten uns vor Lachen fast nicht erholen… aber angeblich war es nur wegen einer Visumsgeschichte, also nicht so schlimm wie wir befürchtet hatten.

Letzter Abend in Split

Letzter Abend in Split

Die Spuren, die der Krieg hinterlassen hat, sind in diesem Land noch am deutlichsten zu sehen. Natürlich auch in Sarajewo, wo die Belagerung durch bosnische Serben und der Jugoslawischen Bundesarmee 1425 Tage angedauert hat. Auf einer Tour durch die Stadt erfahren wir viel über die Zeit, in welcher Sarajewo eingekesselt war und fast täglich Anschläge stattfanden. Unter anderem auch, dass sie zum Teil Dosenfleisch aus den 70er Jahren von der UN erhalten haben, welches so schlecht war, dass nicht mal die Katze etwas davon abhaben wollte. Aber die Menschen hier haben trotz allem versucht sowas wie einem Alltag nachzugehen. Sie haben geheiratet, Kinder gekriegt, sich scheiden lassen und so weiter. Diese Einstellung hat uns sehr beeindruckt.

Stadtführung durch Sarajewo, hier vor einem Haus mit Bombeneinschlag

Stadtführung durch Sarajewo, hier vor einem Haus mit Bombeneinschlag

Da Sarajewo die Hauptstadt ist, wurde auch viel in den Wiederaufbau investiert. Die Trams sind aber vermutlich noch dieselben wie vor dem Krieg. Wahrscheinlich konnten Slowenien und Kroatien auch dank dem EU-Beitritt wirtschaftlich einen grossen Sprung nach vorne machen. Dies ist hier nicht der Fall: man kommt sich vor wie 20 Jahre zurückversetzt, einfach mit WLAN.

Eines der Trams in Sarajewo...immerhin braucht's keine Lüftung

Eines der Trams in Sarajewo...immerhin braucht's keine Lüftung

Bosnien Herzegowina besitzt seit dem Mittelalter einen 20km langen Küstenabschnitt, welcher Dubrovnik vom Rest Kroatiens trennt. BiH, damals Teil des Osmanischen Reichs, hatte mit der Region von Dubrovnik einen Deal gemacht, um einen Angriff oder einer Stärkung der Venetier zu verhindern. Heute ist dies eher eine Belastung, denn hier muss zwei Mal hintereinander die Grenze überquert werden. In dieser touristischen Region bedeutet dies im Sommer lange Wartezeiten. Wir hätten eigentlich vorgehabt, die Grenze etwas weiter im Landesinneren, auf einem Berg zu passieren. Als wir endlich oben waren meinte der Grenzwächter, dass dieser Übergang nur für Locals sei. Ja Merci viel Mal! In einer Selbstverständlichkeit winkt er uns ab und sagt, dass wir bloss 1 Kilometer den Berg wieder runter müssen und dann nach 10 Kilometer (und einen weiteren Berg wieder hoch) käme dann schon der andere Grenzübergang. Der weiss wohl nicht wie es sich anfühlt, wenn man mit einem vollbeladenen Fahrrad die letzte Stunde gegen den Berg angekämpft hat.

Bald kommt der Grenzposten

Bald kommt der Grenzposten

Nach Dubrovnik nehmen wir eine alte Strasse um dem Verkehr zu entweichen. Bevor es wieder auf die Hauptstrasse geht, profitiert Ade noch kurz und geht pinkeln. Als sie zurückkommt, steht Sandra da mit vier weiteren Tourenfahrer. Zwei aus der Schweiz, Gäbu und Babs, und zwei Engländer, Gwilym und Catherine. Spontan fahren wir mit ihnen weiter, da die Strecke für alle die selbe ist. Wir haben uns viel zu erzählen. Sie sind auch schon seit Juli oder August in Europa unterwegs. Mittags suchen wir uns einen Picnicplatz, unweit von einer Einfahrt zu einem Haus. Der Besitzer kommt uns begrüssen und lädt uns auf eine Runde Weisswein ein. Zwei Flaschen später sitzen wir wieder auf dem Velo und machen uns auf den Weg Richtung montenegrinische Grenze. Es ist schnell beschlossen auch die nächsten Tage miteinander zu fahren. Wir verstehen uns super, die Abwechslung tut gut und wir können zu sechst günstig in Unterkünften übernachten. In Montenegro selber waren wir nur zwei bis drei Tage, wobei uns die Bucht von Kotor speziell gut gefallen hat. Weiter testen wir so gut es geht die Nebenstrassen aus, da die Küstenstrasse ziemlich viel Verkehr hat. Die Sache ist zwar ziemlich anstrengend, aber wir fahren durch sehr schöne Landschaften und kleine Dörfer mit netten Einwohnern.

Spontane Einladung zu einer Flasche Wein oder zwei nach dem Mittagessen

Spontane Einladung zu einer Flasche Wein oder zwei nach dem Mittagessen

Die Zeit vergeht wie im Flug und wir stehen bereits an der Grenze zu Albanien.

Und wie immer zum Abschluss noch ein kleines Filmli...