Das Land der schlaflosen Nächte

Schon in der ersten Nacht auf tschechischem Boden hat sich herausgestellt, dass es mit der Ruhe auf dem Zeltplatz etwas anders ist, als wir uns gewohnt sind. Kam doch eine Gruppe mitten in der Nacht vom Ausgang zurück und es wurde geschwafelt, Musik gehört und Flutlicht angemacht als wäre es sieben Uhr Abends. Immer schön, wenn man am nächsten Morgen früh auf dem Sattel sitzen möchte. So oder so ähnlich verlief es fast jeden Abend, ausser einmal, da übernachteten wir ganz alleine bei einem Schwimmbad an der Elbe. Herrlich diese Ruhe!

Ruhige Nacht beim Schwimmbad

Ruhige Nacht beim Schwimmbad

Auch in Prag kamen wir nicht zu unserem erhofften Schlaf. Es war zu dieser Zeit ziemlich heiss und an Schlafen mit geschlossenem Fenster war nicht zu denken. Wie es der Zufall wollte, lag die Wohnung unseres Host direkt am Nachhauseweg vieler feiernden Touris. Denen war es auch nicht so wichtig, leise zu sein auf dem Weg zum Hotel. Als der Lärm schier nicht enden wollte, schaute ich aus dem Fenster. Unten war eine Gruppe, wie könnte es anders sein, junger Schweizer und einer war gerade dabei die Fassade des gegenüberliegenden Hauses hoch zu klettern. Sicher eine gute Idee in seinem Zustand… Einer seiner Freunde war (zum Glück) auch dieser Meinung und hat ihn wieder runtergezogen. Dann sind sie endlich abgezottelt.

Auf der anderen Seite der Grenze, nämlich in Dresden, freuen wir uns schon auf die lang ersehnte ruhige Nacht. Aber nein, dazu kam es vorerst noch nicht. Der Platz vor der Wohnung unserer Gastgeber hatte sich nämlich seit kurzem zu DEM Szenetreffpunkt entwickelt. Was zur Folge hatte, dass morgens um 3 Uhr plötzlich in voller Lautstärke «Blümchen» abgespielt wurde. Wer erinnert sich nicht gerne mitten in der Nacht an seine Jugend?

Und nun viel Spass mit den Bildern und dem Video…

Vater unser im Himmel

Ziemlich schnell wird uns klar, dass die Kirche in Polen nach wie vor eine sehr grosse Rolle spielt. Alle jungen Pärchen, welche wir kennenlernen, sind entweder verlobt oder schon verheiratet. Egal ob sie erst seit einer, für unsere Verhältnisse, eher kurze Zeit zusammen sind. Gefeiert wird die Trauung traditionellerweise mit der ganzen Familie. Die Braut lädt jeweils ein. Doch wenn schon die Familie des Bräutigams um die 80 Leute sind, dann kann das Ganze schon Schwierigkeiten mit sich bringen. Wo sollen nur schon all die Menschen schlafen? Und woher kommt das Geld um alles zu bezahlen? Zudem dauert so eine Feier nicht einfach nur einen Nachmittag/Abend sondern gleich zwei Tage, inklusive Übernachtung.

Von einem unserer Warmshowers Hosts erhalten wir die Nummer von Vater Thomek. So landen wir zu unserer Überraschung bei einem religiösen Zentrum, in welchem wir nächtigen dürfen. Hier zum Beispiel hätte es genügend Platz für 120 Eingeladene. Es handelt sich nämlich um ein Hotel mit einem riesigen Gemeinschaftsraum. Gleichzeitig mit uns ist tatsächlich auch eine Hochzeitsgesellschaft da. Sie belegen schon alle Zimmer, deshalb schlafen wir in einem Gebetsraum. Hier gibt es auch «Instant-Kruzifixe», falls man den eigenen vergessen hat.

Vor unserer Abfahrt posen wir noch mit Emil, der uns hier sehr herzlich empfangen hat

Vor unserer Abfahrt posen wir noch mit Emil, der uns hier sehr herzlich empfangen hat

Die Leute in diesem Zentrum sind unglaublich freundlich zu uns. Wir kriegen ein riesen Abendessen aufgetischt, Fisch weil Freitag ist. Und später werden wir noch zum Eis essen eingeladen. Geld oder eine Spende wollen sie nicht. Sie sind nämlich auch Radfahrer und freuen sich die Gastfreundschaft zurück zu geben. Auf ihren Touren haben sie jeweils ein bisschen eine andere Mission als wir. Sie wollen vor allem Gott näherkommen. Dies erreichen sie, in dem die Tagesetappen ziemlich hoch gesetzt sind, mindestens 150 km. Wenn man den eigenen Grenzen nahekommt, ist man auch Gott nahe, oder so.

Generell ist bei den Gottesdiensten ist auch ziemlich was los. Manchmal finden am Sonntag zwei Messen statt, damit alle Platz haben oder aber die Leute versammeln sich vor dem Eingang. Wenn nämlich die Nachbarn merken, dass man nicht da ist, gibt dies eine Menge zu reden. So nehmen auch Junge an den Messen teil, nur damit sie nicht zum Dorfgeschwätz-Thema werden. Ist natürlich auch eine Möglichkeit die Kirchenbänke zu füllen.

Nicht alle Polen sind scheu. Frank kreuzt uns und beschliesst uns spontan zu begleiten

Nicht alle Polen sind scheu. Frank kreuzt uns und beschliesst uns spontan zu begleiten

Im Allgemeinen haben wir die Leute auf der Strasse als eher zurückhaltend erlebt. Bei unseren Gastgebern wars jedoch ganz anders. Wir wurden immer herzlich empfangen und an Essen fehlte es nie. Unsere Bäuche wären jedenfalls ziemlich voll als wir an der Tschechischen Grenze ankamen.

...vergiss nicht die Fotos und das Video zu kucken :-)

Die Wanderexperten kommen

Städte haben wir schon jede Menge gesehen, deswegen ist der Entscheid schnell gefasst, in der Slowakei den Fokus auf die Natur zu setzen. Also lassen wir Bratislava und Kosice links liegen und steuern direkt auf die Tatra Berge zu. Im Voraus hatten wir bereits gehört, dass diese Region etwas touristisch sein soll. Oben auf dem Hügel erwartet uns jedenfalls eine ziemliche Menschenmenge und alle sind top eingekleidet. Sind wir etwa in der Schweiz gelandet?

Wir fallen in unseren Shorts und atmungsaktiven Shirts für einmal nicht auf. Oder vielleicht doch? Unsere Kleider sind nämlich mittlerweile schon nicht mehr ganz so schön, im Gegensatz zu denjenigen der anderen Leute. Die sehen aus als wären sie direkt aus dem Sportkatalog herausgesprungen.

Sandra ist eher aus dem 90er Katalog gesprungen

Sandra ist eher aus dem 90er Katalog gesprungen

Der Einfachkeit halber sind wir mit der Bahn ins Wandergebiet gefahren. Zu viel laufen und uns dabei womöglich noch einen Muskelkater holen, wollen wir um jeden Preis verhindern. Die Frau bei der Touri-Info schlägt uns eine etwa 1.5-stündige Wanderung vor, wie könnte es aus anders sein, zu einem Wasserfall. Wir als Wasserfallexpertinnen wollen uns das natürlich nicht entgehen lassen. Soll doch dieser Wasserfall besonders schön sein. Und siehe da, der Wasserfall ist wirklich schön, der erste jedenfalls. Der zweite kann sich auch sehen lassen. Aber für den dritten sind wir extra einen Umweg gewandert und der wars enttäuschender Weise nicht ganz wert. Nur halb so schlimm. Der Weg zurück gleicht nämlich eher einer Wanderautobahn, als einem Singletrail.

Die Touristen strömen in die Berge

Die Touristen strömen in die Berge

Alles ist tiptop beschildert und wir fühlen uns fast wie daheim. Abgesehen davon, dass wir wegen eines Missverständnisses das falsche Zugticket gelöst haben. Bei der Ticketkontrolle fällt dies natürlich auf. Die Kontrolleurin spricht zwar kein Englisch, doch zwei Mitfahrende versuchen zu übersetzen. Irgendwann wird es ihr zu blöd und sie entscheidet sich heute kein Büro aufzumachen. Da haben wir nochmals Glück gehabt! Zuhause hätten wir wohl eine ziemliche Busse kassiert…

Kulturschock Nordosteuropa

Kaum über die Grenze zu Ungarn fahren wir auf einem schönen Veloweg. Es gibt wieder Campingplätze und Autofahrer bremsen für Fussgänger wie auch für Tiere; denn die Roadkills haben auch deutlich abgenommen. Während wir uns fragen wo wir hier gelandet sind, flitzen Rennradfahrer in schnittigen Lycra-Tenues an uns vorbei. Jedenfalls scheint Rad fahren hier wieder gross in Mode zu sein, was wir natürlich super finden.

Es gibt wieder relativ gut ausgebaute Radwege

Es gibt wieder relativ gut ausgebaute Radwege

In Ungarn übernachten wir bei so vielen Hosts wie schon lange nicht mehr. Nicht mal jede zweite Nacht verbringen wir auf dem Camping. Es freut uns auf so eine grosse Gastfreundschaft zu stossen.

Über Couchsurfing schreiben wir zwei Leute an welche in unterschiedlichen Orten wohnen. Es stellt sich aber heraus, dass sich die beiden kennen und zu dieser Zeit gemeinsam in der Ukraine sind. Also organisieren sie für uns einen anderen Host in einem anderen Dorf. So kommt es, dass wir bei Jonas und seinem Bruder landen. Die beiden Teenager erfreuen sich an unserem selbstgekochten Curry, dies sei doch viel besser als Cornflakes. Auch können sie sich nicht daran erinnern, jemals so viel Gemüse auf einmal gesehen zu haben. Umso besser wenn’s trotzdem schmeckt. Um den Abend etwas spassiger zu gestalten, spielen wir das altbekannte Trinkspiel «Meier», hierzulande «Meja». Nur dass unser Host nicht trinkt (temporär, wegen einer Wette), also muss eine andere Bestrafung her. Jeder, der verliert, muss ein Stück Chilischote essen. Eine scharfe Angelegenheit. Zur Abkühlung hat er immerhin noch etwas Joghurt und Brot bereit. Als die Chilischote endlich fertig gegessen ist, gehen die beiden Jungs ins Bett. Zehn Stunden Schlaf müssen es mindestens sein. Als wir uns am nächsten Tag auf den Weg machen, sind die beiden jedenfalls noch im Tiefschlaf.

Der Innenhof bei unseren Gastgebern

Der Innenhof bei unseren Gastgebern

In Budapest surfen wir wieder auf einer Couch, respektive auf einem Bett. Unsere Hosts sind beide sehr an Politik und anderen aktuellen Themen interessiert. So finden wir heraus, dass Andreas auch schon übers Auswandern nachgedacht hat. Aber aus einem unterschiedlichen Grund als anderswo, nämlich dass er sich nicht mit der rechtspopulistischen Politik des Landes identifizieren kann. Am liebsten möchte er gar nichts mehr mit dem Land zu tun haben. Als Beispiel nennt er uns bspw einen Abend bei seiner Familie, welche vor Jahren aus Rumänien eingewandert ist. Stammtischparolen über Migranten, welche zu tausenden in Ungarn einwandern und von der Wirtschaft profitieren wollen. Als Andreas nebenbei bemerkt, dass sie doch auch Wirtschaftsflüchtlinge waren, wird es  still am Tisch…

 
 
Fussball und andere Geschichten

Kaum zu glauben, aber waren wir doch tatsächlich am Tag des Spieles Schweiz – Serbien im Kosovo und in Serbien. Doch fangen wir mal von vorne an.

Serbien und Kosovo sind die letzten Länder auf unserer Ex-Jugoslawien Liste. In den anderen Staaten haben wir viel über den Krieg gehört. Die Serben waren immer die Bösen. Wir fragen uns, wie wohl deren Sicht aussieht; schliesslich gibt es immer zwei Seiten zu betrachten. Bei einer Walking Tour hoffen wir etwas mehr herauszufinden. Zum normalen Stadtrundgang machen wir auch noch eine Tour zum Thema 21. Jahrhundert. Beide Tourguides halten sich aber ziemlich zurück was den Krieg betrifft. Erwähnt wird vor allem die Bombardierung der NATO Ende der 90er Jahre. Was denn genau dazu geführt hat, das Belgrad bombardiert wurde, wird grosszügig weggelassen. Schade! Denn solche Touren sind doch dazu da, den Teilnehmern zu erklären wie denn das ganze aus ihrer Sicht war. Leider wurden wir hier enttäuscht. Auch beim Thema Kosovo erhalten wir die Antwort «I don’t pick  sides», doch an ihren Augen ist deutlich zu sehen, dass nach wie vor ein emotionales Thema ist.

Auf der Tour durch Belgrad

Auf der Tour durch Belgrad

Im Museum der Geschichte von Jugoslawien suchen wir nach weiteren Antworten. Doch es stellt sich heraus, dass es sich um ein Tito Museum handelt, respektive sein Mausoleum. Jedenfalls im ersten Gebäude. Im zweiten sind Geschenke die er während seiner Herrschaft (und auch noch nach seinem Tod!) erhalten hat. Auch gibt es anscheinend ein Buch, in welches Gäste immer noch Botschaften an Tito reinschreiben können. Wir wissen nach dem Besuch nicht so ganz was wir davon halten sollen. Antworten haben wir immer noch keine, wir wissen lediglich, dass das Museum einen unpassenden Namen hat…

Im Tito Memorial - Die Stafetten, die ihm jeweils zu seinem Geburtstag überbracht wurden 

Im Tito Memorial - Die Stafetten, die ihm jeweils zu seinem Geburtstag überbracht wurden 

Anstatt nach dem Besuch Mazedoniens weiter Richtung Kosovo zu radeln, sind wir damals nach Bulgarien gefahren. Trotzdem wollen wir den Kosovo nicht auslassen, aber nochmals in den Süden fahren ist uns doch zu weit. Die perfekte Lösung scheint es uns eine geführte Tour zu machen. Bekanntlicherweise ist lange im Voraus planen nicht so unser Ding. Zwei Tage vor dem geplanten Tourdatum einen Anbieter zu finden, stell sich als unmöglich heraus. Glücklicherweise kann uns ein alter Schulfreund von Sandra aushelfen. Sein Cousin und eine Freundin fahren uns durchs ganze Land und zeigen uns die Hauptsehenswürdigkeiten. Als erstes fallen uns natürlich die vielen Schweizer Flaggen auf und dass gebaut wird was das Zeug hält. Wir sind froh, hat es mit dem Ausflug schlussendlich doch noch geklappt. Danke Liri! Und viele Kosovaren drücken uns die Daumen für das Spiel gegen Serbien.

Gedenkstätte in Prekaz. Mit der Ermordung von Adem Jashari (Mitgründer der paramilitärischen Befreiungsarmee UCK) und seiner Familie durch serbische Streitkräfte begann der Kosovokrieg. 

Gedenkstätte in Prekaz. Mit der Ermordung von Adem Jashari (Mitgründer der paramilitärischen Befreiungsarmee UCK) und seiner Familie durch serbische Streitkräfte begann der Kosovokrieg. 

Zurück in Belgrad verfolgen wir das Spiel in einem Pub. Auch hier sind die Leute von der Doppeladler Geste nicht gerade erfreut. Dass die Schweiz gewonnen hat, nehmen sie aber sportlich. Vom Barmann erhalten wir sogar noch eine Packung Chips zum Sieg. Die nächsten Tage werden wir praktisch immer auf das Spiel angesprochen, sobald klar ist woher wir kommen. Es wird uns sogar zum Sieg gratuliert, aber immer mit dem Hinweis, dass doch der Doppeladler nicht nötig gewesen wäre…

...und zum Schluss noch ein chlyses Videöli