Hello, pineapple?

Nach einigen Stunden im Flugzeug landen wir in einer ganz anderen Welt. Die erwartete Hitze bleibt vorerst aus. In Nordvietnam ist es nämlich auch eher kühl und wir sind froh haben wir eine Jacke dabei. Die kurzen Hosen müssen im Rucksack noch ein paar Tage auf ihren Einsatz warten. Nichtsdestotrotz geniessen wir es im Hotelzimmer zu schlafen und nicht selber kochen zu müssen. Das Essen ist nämlich unglaublich günstig und lecker und die Abwechslung tut gut.

Beim Essen fehlt es nie an vielen frischen Kräutern

Beim Essen fehlt es nie an vielen frischen Kräutern

Strassenverkehrstechnisch haben wir ja auch schon einiges erlebt, aber das Überqueren einer Strasse in Hanoi war doch ziemlich abenteuerlich. Wann genau der beste Zeitpunkt ist um an die andere Seite zu gelangen, war bis zum Schluss nicht ganz klar. Auf jeden Fall kann man einfach mal loslaufen und die ganzen Scooter und Autos fahren dann um einen drum herum. Einfach nach der Devise, nie stehen bleiben und schon gar nicht rückwärtsgehen.

Anfangs glaubt man es nicht, aber es ist möglich so eine Strasse zu überqueren

Anfangs glaubt man es nicht, aber es ist möglich so eine Strasse zu überqueren

Auch die Restaurantkultur ist etwas seltsam anzuschauen. Am liebsten sitzen die Vietnamesen nämlich auf kleinen Plastikstühlen an kleinen Plastiktischen. Bei Nichtgebrauch lässt sich das ganze Restaurant Mobiliar praktisch zu einem kleinen Stapel zusammenstellen. Auch der kleinste Laden hat somit immer ein paar Tische bereit. Für uns war es trotzdem ungewohnt mit den Knien im Gesicht eine Mahlzeit einzunehmen.

Streetfood in Hanoi. Die Grösse der Stühle ist gewöhnungsbedürftig

Streetfood in Hanoi. Die Grösse der Stühle ist gewöhnungsbedürftig

Der Norden besteht zum Teil aus imposantem Karstgebirge, wie zum Beispiel die bekannte Halong Bucht. Da waren wir natürlich und schafften es, die Touristenmassen einigermassen zu umgehen. Oder auch die «trockene» Halong Bay rund um Ninh Binh. Beides ist sehr schön anzusehen und hat uns super Wanderungen und Bootstouren beschert.

In der Halong Bucht

In der Halong Bucht

Damit wir nicht aus der Übung kommen, haben wir auch mal ein Fahrrad gemietet. Mit einem Eingänger unterwegs zu sein, ist doch nochmal etwas anderes. Auch auf den Scooter haben wir uns ein paar Mal gewagt. Meist jedoch nur etwas ausserhalb der Städte und so wenig wie möglich auf den grossen Strassen. Nachdem wir bei einer Tour zwei Vietnamesen kennen lernten, waren wir sogar zu viert auf zwei Rollern unterwegs. Diese beiden führten uns an eine Tankstelle, welche dummerweise mitten in Ninh Binh lag. Da jeder hier so ein bisschen fährt, wie es ihm gerade passt (dieses Gefühl haben wir jedenfalls, Verkehrsregeln sind optional), hat diese Situation ein wenig Stress ausgelöst. Nicht nur, weil die Tankanzeige auf Rot stand. Unter anderem auch weil es langsam dunkel wurde und es natürlich auch noch zu Regnen angefangen hat. Und wie könnte es auch anders sein, die beiden fuhren nach der Tankstelle in eine komplett andere Richtung als wir. Auf uns alleine gestellt, überquerten wir in einer Kamikaze Aktion eine Kreuzung, was wir sogar ohne Hupkonzert überstanden haben. Unsere Helme hatten natürlich keine Visiere, jeder Brillenträger kann sich wohl vorstellen was jetzt kommt. Durch den Regen wurde die Brille von Tropfen nass und wegen der Dunkelheit war sehen unmöglich. Also ging es ohne Brille weiter. Was jetzt wirklich besser ist, sei dahingestellt. Jedenfalls sind wir dann doch irgendwie unbeschadet bei unserem Hotel angekommen.

Kleiner Veloausflug

Kleiner Veloausflug

Für die Vietnamesen war es jedenfalls witzig, mal mit Westlern unterwegs zu sein. So bekamen sie einen Einblick wie es ist, dauernd angesprochen zu werden. Meist heisst es nämlich nur, «Hello, Pineapple?» oder «Hello, buy something»

Die Zitadelle in Hue

Die Zitadelle in Hue

Nach einer Fahrt im Nachtzug Richtung Hue waren wir dann endlich so richtig an der Wärme. Aber nicht nur das, auch Touristen hatte es hier irgendwie überall oder besser gesagt noch viel mehr als im Norden. Da wir eh bald nach Kambodscha weiterreisen wollten, hat uns dies nicht so gestört. Wir haben die Zeit in Vietnam sehr genossen und sind gespannt, was die nächsten Wochen für Überraschungen mit sich bringen.

Und zu guter Letzt wie immer einen kleinen Video Zusammenschnitt.

Südostasien Teil 1
Im Land der streuenden Hunde

Früher, wenn ich an Griechenland dachte, dann dachte ich an endlose Sandstrände, tausende von Inseln, 3000 Jahre alte Ruinen, enge Gässchen die sich durch weiss-blaue Häuschen schlängeln und auf jeder Treppenstufe eine Katze, Moussaka & Feta, Olivenhaine und natürlich an Ouzo, welchen man an jeder Ecke angeboten kriegt.

Als wir die Grenze passierten, waren das einzige, das meiner Vorstellung entsprach die Olivenhaine. Ansonsten kriegten wir viele illegale Mülldeponien zu sehen, überteuerten Feta-Käse im Minimarket und aggressive, überdimensionale Wachhunde die Radfahrer NICHT mögen. Tatsächlich wurde Adeline gleich am ersten Tag von ca. 5 Hunden umringt und angebellt, kein so tolles Gefühl.

Die Hunde verziehen sich zum Glück wieder

Die Hunde verziehen sich zum Glück wieder

Zugegeben, bei Griechenland wars nicht Liebe auf den ersten Blick. Wir mussten einige Zeit hier verbringen, um die schönen Facetten dieses Landes schätzen zu lernen.

Man glaubt es kaum, aber die Griechen haben noch kürzere Ladenöffnungszeiten als die Schweizer. Montags, mittwochs und donnerstags sind die Läden nur bis ca. 14 Uhr geöffnet. Dienstags und freitags öffnen sie abends wieder so ab 17 Uhr. Sonntags herrscht ausser bei den Bäckereien und in Restaurants tote Hose. Hat man einen geregelten Tagesablauf, kann man vielleicht damit umgehen. Doch wir wussten teilweise nicht mal was wir gerade für einen Wochentag haben. Da waren wir halt auch schon gezwungen in Restaurants zu essen, weil wir nichts essbares mehr in unseren Taschen hatten. Bei den Sehenswürdigkeiten ist es auch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Vieles schliesst um 15 Uhr. Auch hier kam es vor, dass wir vor verschlossenen Toren standen.

Montags wartet man vergebens vor den Eingangstüren zu den Ruinen des antiken Korinth

Montags wartet man vergebens vor den Eingangstüren zu den Ruinen des antiken Korinth

Die Route der Küste entlang war sagenhaft. Immer wieder gab es kürzere Anstiege die uns erlaubten, über menschenleere Buchten und prachtvolle Olivenbäume in die Gebirge zu blicken. Hie und da gab es nette Dörfer oder Ruinenstätte, in welchen wir uns noch zu Fuss verausgaben konnten. Wenn wir dann so verträumt bergauf und bergab fuhren, holten uns die kläffenden Hunde wieder zurück in die Realität. Oftmals war das Gebell einfach erschreckend aber der Hund zum Glück hinter Gitter. Es kam aber nicht selten vor, dass einer nicht angebunden war und uns nun als sein neues Spielzeug betrachtete. Viele Strategien gibt es, um die Hunde abzuwimmeln. Erst hatten wir einen Stock dabei. Von diesem trennten wir uns aber, denn wir wollten sie nicht noch aggressiver machen. Steine? Hatten wir auch, obwohl Adelines Treffsicherheit dem eines Toastbrots gleicht und auch sonst vielleicht nicht effektiv genug wäre. Wir sind gut gefahren mit der Strategie «Verlangsamen, absteigen, versuchen langsam daran vorbeizulaufen oder mit Wasser bespritzen». Viele denken sich, dass die streuenden Hunde lästig sind. Dies ist aber nicht der Fall. Die sind einfach teilweise anhänglich und nicht sehr appetitlich anzuschauen. Da sie aber kein Revier zu verteidigen haben, sind sie meistens harmlos. Den Fehler vom Füttern haben wir aber nur ein Mal gemacht. Dies lockt nur weitere Hunde an und endet in einem Hundekampf.

Diesen Hund haben wir dummerweise gefüttert...

Diesen Hund haben wir dummerweise gefüttert...

Am meisten beeindruckt haben uns wohl die antiken Ruinenstätten. Als wir im antiken Olympia oder in Athen auf der Akropolis standen und die Ruinen sahen, welche fast 3000 Jahre später immer noch zu Teilen stehen. Uns wurde gesagt, dass es in den USA ein exaktes Abbild des Athener Pantheons gibt. Dieses wurde 1897 mit Hilfe von Maschinen gebaut. Die Arbeiten haben länger gedauert als der Bau des Originals. Naja, damals waren zwar die Hilfsmittel begrenzt, doch man hatte Zeit, Geld und Sklaven.

Das Pantheon auf der Akropolis von Athen

Das Pantheon auf der Akropolis von Athen

Immer wieder fuhren wir an abgebrochene Bauprojekten vorbei. Mal waren es Autobahnen, mal Zugstrecken. Sah alles neu aus aber schon wieder von Unkraut überwachsen. Vielerorts wurden Projekte aufgrund von Geldkürzungen eingestellt. In Athen fiel uns die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Wirtschaftslage am meisten auf. Es gibt viele, die auch in den kühlen Winternächten in der Gasse schlafen müssen. Die Arbeitslosenquote der jüngeren Leute zwischen 30 und 40 Jahren liegt bei etwa 35%. Viele halten sich dank dem Ersparten der Eltern über Wasser. Wer es sich leisten kann und eine gute Ausbildung hat, der sucht sich in einem anderen EU-Staat einen Job.

Angefangenes Stück Strasse

Angefangenes Stück Strasse

Am 29. November erreichen wir Athen. Unser Ziel, welches wir seit dem Nordkap vor Augen haben. Wir haben Glück, das Wetter macht mit und wir finden einen Hügel, von welchem wir eine tolle Aussicht auf die Akropolis haben. Einige Tage verbringen wir da, bevor wir auf die Insel Evia fahren, in die Ferienunterkunft von James. Wir haben uns entschlossen, ein paar Tage fix an einem Ort zu bleiben. Dort war für einmal wieder unsere verkümmerte Oberkörpermuskulatur gefragt. Wir halfen James im Garten sowie beim Malen und anderer kleineren Hausarbeiten. 

Chrampfe, büetze, bügle...chli Stoub uf dr Lunge u so

Chrampfe, büetze, bügle...chli Stoub uf dr Lunge u so

Netterweise hat er angeboten, dass wir unsere Räder bei ihm lassen können. Zwar hat er sich oft über das Eigengewicht dieser lustig gemacht und gemeint, dass diese wohl niemand stehlen würde, er müsse die Diebe wohl noch bezahlen um sie mitzunehmen. Naja, wir mögen unsere Velos trotz Übergewicht! Jedenfalls kam uns dies sehr entgegen, denn mittlerweile haben sich unsere Winterpläne konkretisiert.

Ein paar Tage machen wir noch einen Roadtrip über die peloponnesische Halbinsel, bevor wir zurück in die Schweiz fliegen. Ja, wir haben uns entschlossen, über die Feiertage einen Überraschungsbesuch bei unseren Freunden und Familie zu machen. Die Überraschung ist gelungen, es hat extrem Spass gemacht ein bisschen Heimat zu riechen.

Das Theater von Epidaurus

Das Theater von Epidaurus

Nun folgt ein kleiner Unterbruch vom Radfahren bis ca. Ende März. Wir fliegen nach Südostasien und Sri Lanka um nach der kalten Schweiz wieder etwas Sonne und Wärme zu tanken.

Bis bald!

Adeline VoleryComment
Bauernstaat mit Stil

Schon mal vorne weg, Albanien ist ein unglaubliches Land. Kaum über der Grenze fühlt es sich bereits an als wären wir in einer anderen Welt angekommen. Die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein. Es kommen uns immer wieder Eselgespanne entgegen oder Leute mit umgebauten Motorrädern oder sonst irgendwelche kurligen Eigenbauten. Die Leute legen ziemlich viel Wert auf ihr Erscheinungsbild. Ältere Männer sind immer stilgerecht mit Jackett unterwegs, egal was sie gerade tun. Auch wenn sie mit dem Vieh auf dem Acker unterwegs sind.

Hier sieht man richtig viele Radfahrer. MIt den alten Göppel fahren sie aber etwa nur 5km/h

Hier sieht man richtig viele Radfahrer. MIt den alten Göppel fahren sie aber etwa nur 5km/h

Fast alle Menschen winken uns freundlich zu oder rufen uns nach, wenn wir vorbeifahren. So etwas Verrücktes wir uns haben sie wohl noch selten gesehen. Wenn das Wetter mal schlecht ist, scheint dies die Gastfreundschaft noch mehr an den Tag zu bringen. Wir werden zu Kaffee und Tee eingeladen und kriegen unzählige Äpfel, Kaki, Mandarinen und Orangen geschenkt. Und das obwohl die Menschen hier selber kaum etwas haben.

Die nette Kaki-Verkäuferin überhäuft uns mit Früchten

Die nette Kaki-Verkäuferin überhäuft uns mit Früchten

Manchmal kann es aber auch ziemlich anstrengend werden. Eines Morgens fuhren wir nichts ahnend los. Zuerst auf einer Strasse welcher eher einer Autobahn glich. An Fährräder auf grossen Strassen sind sie sich aber gewohnt. Das ist schon mal hilfreich. Die Nebenstrassen sind meist in nicht so gutem Zustand. An diesem einen Tag sogar in einem sehr aussergewöhnlich schlechtem. Es hatte an den Tagen zuvor geregnet, das heisst, praktisch die ganze Strasse bestand nur noch aus Matsch und grossen Steinen. Zu allem Überfluss blieb dieser in den Rädern hängen und blockierte die Räder komplett. Das machte die Sache noch viel anstrengender als sie sonst schon war. Nach diesen kräfteraubenden Kilometern hatten wir aber immer noch einiges vor uns. Die Strassen waren teils besser, teils wieder schlechter. Bis wir plötzlich halb auf der Autobahn stehen. Auf diese durften wir aber dann mit dem Rad doch nicht, was uns einen Umweg bescherte. Also wir schon ziemlich am Ende unserer Kräfte waren folgten uns zwei Jungs welche auch mit Velos rum kurvten. Am Anfang irgendwie noch amüsant, obwohl sie sich über uns lustig zu machen scheinen. Doch irgendwie wissen sie nicht wann genug ist und fangen an uns auszubremsen. Nicht so toll, wenn man schon ziemlich am Ende ist. Sandra wird dann kurz etwas laut und die Jungs verschwinden. Es kann ziemlich frustrierend sein, wenn einem die Menschen nicht verstehen, da sie eine andere Sprache sprechen. Endlich im Ort angekommen, in welchem wir übernachten möchten, suchen wir WLAN um ein Hotel zu buchen und trinken etwas in einem Restaurant. Wir sehen wohl ziemlich mitgenommen aus und sind auch dreckig von der schlechten Strasse. Der junge Kellner hat Mitleid mit uns und hilft eine Unterkunft zu suchen. Da es mittlerweile schon dunkel ist, gibt er uns Begleitschutz mit seinem Auto. Als Dank essen wir in diesem Restaurant zu Abend. Es stellt sich heraus, dass er der Sohn des Chefs ist. Zu dritt essen wir etwas und unterhalten uns dabei. Schlussendlich traut er sich zu sagen, dass er bisexuell ist und dass wir die ersten sind, die dies erfahren. Wir sind beide sehr gerührt und auf der anderen Seite betrübt, dass er sich wohl nie outen werden kann. Dass alles ist an einem einzigen Tag passiert. Zum Glück war nicht jeder Tag so ereignisvoll…

Strassenqualität lässt zu wünschen übrig

Strassenqualität lässt zu wünschen übrig

Albanien wurde nach dem zweiten Weltkrieg unter der Diktatur von Enver Hoxha zu einer sozialistischen Volksrepublik. Heute wohl nur noch vergleichbar mit Nordkorea. In Hoxhas Augen war Tito’s Jugoslawien nur eine Light-Version des Kommunismus. Er brach die Beziehungen sowohl zu Jugoslawien wie auch später nach Stalins Tod zu der UdSSR ab und gründete ein Bündnis zur Volksrepublik China. Auch hier wurden Glaubensstätten umfunktioniert oder zerstört und die Bevölkerung zu Atheisten umerzogen. Wegen der ständigen Angst eines Angriffs der Grossmächte, lies Hoxha ungefähr 200'000 Bunker bauen. Diese sind noch heute vielerorts zu sehen. Nach Mao’s Tod brach er auch die Beziehung zu China ab, so dass bis zum Tod Hoxha’s 1985 Albanien in einer völligen Isolation lebte. Sein Nachfolger führte seine Politik fort, jedoch lehnten sich Albaner vermehrt gegen die Diktatur auf, als sie von den antikommunistischen Bewegungen im Ostblock erfuhren. Tausende von Albaner flüchteten in dieser Zeit aus Angst davor, dass die Regierung Gewalt gegen die Revolution anwenden würde und weil die wirtschaftliche und politische Lage sehr schlecht war. Im 92 schlussendlich kam es zu den ersten freien Wahlen, bei welcher die demokratische Partei die Mehrheit der Stimmen erhielt. Die desolate Wirtschaftslage verbessert sich jedoch nur sehr langsam. Leider fehlt es heute an gut ausgebildeten Fachkräften. Viele verlassen das Land für eine bessere Zukunft in anderen Ländern.

Einer der vielen Bunker

Einer der vielen Bunker

Es gab Zeiten, da war Albanien eines der saubersten Länder der Welt, dies auch, weil sie kaum etwas hatten, was man hätte wegeschmeissen können. Als die Zeiten des Kommunismus vorbei waren, änderte sich vieles auf einen Schlag. Jeder wollte ein Auto haben, am liebsten einen Mercedes Benz, diese sollen die Besten sein. Autos waren aber nicht das Einzige was plötzlich Einzug hatte. Auch Plastikprodukte wurden nach und nach eingeschleppt. Das mangelnde Wissen über die Entsorgung hat dazu geführt, dass der meiste Abfall irgendwo am Strassenrand oder in einer illegalen Deponie landet. Wie auch schon in Ex-Jugoslawien, liegt auch hier jede Menge Müll herum. Eine traurige Sache, denn im Meer zu baden ist jetzt nicht mehr so verlockend wie auch schon.

Leider ist der Abfall hier ein grosses Problem

Leider ist der Abfall hier ein grosses Problem

Tirana, die Hauptstadt, ist eine Geschichte für sich. Da wir nicht den ganzen Weg auf der grossen Strasse in die Stadt fahren wollten, sind wir auf Nebenstrassen ausgewichen. Nur waren diese bis fast ins Zentrum teilweise ziemlich dürftig. Also Kiesstrassen, welche mit Schlaglöchern übersät sind. Da dies nicht so spassig ist, versuchen wir auf eine grössere Strasse zu kommen. Das schaffen wir auch, nur direkt beim Ende der Autobahn. Es hat also ziemlich viel Verkehr und die Autos sind ungewöhnlich schnell unterwegs. Überraschenderweise hat es plötzlich einen Veloweg. Den nehmen wir natürlich, aber neben uns sind vor allem Fussgänger auf diesem unterwegs. Am kritischsten Punkt hört dieser natürlich auf. Wir dürfen also versuchen irgendwie durch einen zweispurigen, riesigen Kreisel zu kommen. Da alle einfach fahren wie es ihnen so gefällt, machen wir dies auch und das klappt sogar ganz gut. Jedenfalls kommen wir unbeschadet bei der Unterkunft an.

Ankunft in Tirana. Der Verkehr ist vergleichsweise enorm

Ankunft in Tirana. Der Verkehr ist vergleichsweise enorm

Wer gerne Mal etwas anderes erleben möchte, dem können wir Albanien wärmstens als Feriendestination empfehlen. Auch mit dem Fahrrad. Dank der schlechten Strassen waren die Autos langsam unterwegs, was dies zu einem sichereren Abendteuer machte. Sogar die Strassenhunde waren hier im Vergleich zu Griechenland ziemlich klein und harmlos.

Tito ist tot, doch lebt er weiter

Auf diesen Abschnitt der Reise haben wir uns besonders gefreut! Was ist aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens geworden? Wie haben sie sich entwickelt seit dem Zerfall und was für Geschichten werden wir zu hören kriegen?

Nach Italien verlassen wir die Küste und strampeln uns nach Slowenien hoch. Von einem Tag auf den anderen sind wir umringt von bunten Laubbäumen, welche von der tiefliegenden Sonne golden leuchten. Das Wetter ist auf unserer Seite. Neu ist auch die Karstlandschaft, welche unglaublich viele Höhlen bildet. Eine der grössten, die Höhlen von Škocjan, lassen wir uns nicht entgehen.

In den Höhlen von Škocjan

In den Höhlen von Škocjan

Nach ein paar Tagen nehmen wir vom Landesinneren wieder Abschied und fahren Richtung Küste. Von hier aus führt uns die weitere Route mehrheitlich der Adria lang. Doch es gibt hie und da immer wieder ein Highlight, weiter landeinwärts, welches wir uns nicht entgehen lassen wollen. Teilweise fahren wir dann mit dem Fahrrad zickzack weiter, oder wenn der «Umweg» zu gross ist, lassen wir unser Material wo es ist und nehmen einen Bus.

Wir sind weit und breit die einzigen und haben die ganze Landschaft für uns allein

Wir sind weit und breit die einzigen und haben die ganze Landschaft für uns allein

Ljubljana ist so ein Beispiel. Da lassen wir alles in Rijeka und verbringen 2 Tage in der Stadt ohne Fahrrad. Hier wird das Thema Tito, Jugoslawien und der Krieg erstmals aufgebracht. Uns wird bewusst, dass dies in der Schulzeit nie gross angesprochen wurde, obwohl damals bis hauptsächlich zur 6. Klasse hie und da ein neuer Klassenkamerad aus dem Osten zu uns gestossen ist. Schade eigentlich, denn es hätte die Integration bestimmt erleichtert, hätten wir deren Geschichte zu hören gekriegt.

Der Laibach (Ljubljanica)

Der Laibach (Ljubljanica)

Als wir anschliessend die Grenzen nach Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro übertreten, fallen uns einige Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten auf. Zum einen die Sprache: Serbokroatisch war von 1954 bis 1992 neben Slowenisch und Mazedonisch eine der Amtssprachen des ehemaligen Jugoslawien. Slowenen verstehen Serbokroatisch und auch umgekehrt. Nach dem Zerfall wurden den Sprachen jedoch eigenständige Bezeichnungen gegeben wie etwa Kroatisch oder Montenegrisch. So wie wir mitgekriegt haben, sind es eher unterschiedliche Dialekte. In Serbien überwiegt das kyrillische Alphabet, wobei in den anderen Ländern das lateinische verwendet wird.

Weitere Gemeinsamkeiten sind Rakija (Obstbrand), Ćevapi, Ajvar, Burek (und schon wieder dreht sich alles ums Essen…), kristallklares Meer, die Gastfreundschaft und dass (fast) alle Tito liebten. Übrigens wird man hier gerne mal zu einem Gläsli Rakija eingeladen, ablehnen gilt als unhöflich. Oft handelt es sich um Eigenbrand und wird auch gerne mal zum Zmorge getrunken. Wir kamen glücklicherweise meistens erst nach der Ankunft am späten Nachmittag in den Genuss. Ist aber auch nicht ohne, wenn man nach einem Tag auf dem Velo absteigt und gleich einen Schnaps oder auch mehrere trinken darf.
Leider ist uns auch aufgefallen, dass gerne Abfall «entsorgt» wird, wo es einem gerade passt. Die Slowenen sind hier ganz klar am besten aufgeklärt, Ljubljana sogar eine sehr vorbildliche grüne Stadt. In den anderen besuchten Ländern läuft man mit mindestens 5 Plastiksäcken aus dem Supermarkt, wenn man sich nicht vehement dagegen wehrt. Diese werden dann wohl bei der nächsten Gelegenheit irgendwo in der Natur «liegengelassen». Genauso wie Kaffeebecher, Plastikflaschen, alte Sofas oder Fernseher. Sehr schade, denn eigentlich wäre es überall so schön.

Selbstgebrannter Rakija, unmittelbar nach der Ankunft auf dem Campingplatz. Es soll nicht der letzte gewesen sein...

Selbstgebrannter Rakija, unmittelbar nach der Ankunft auf dem Campingplatz. Es soll nicht der letzte gewesen sein...

Nach Slowenien erkunden wir einige Inseln von Kroatien wie Krk, Rab und Pag, bevor wir in Zadar wieder aufs Festland kommen. Die Strände laden uns mehr als nur einmal zum baden ein. Die Vielfalt hier ist grossartig. Nebst dem türkisfarbenen Meer geniessen wir im Winnetou-Land bei den Plitvicer Seen unzählige Wasserfälle oder tauchen in Städten wie Dubrovnik und Split in fast 2000-jährige Geschichte ein. In Split besuchen uns dann auch Sandras Eltern für ein paar Tage und wir geniessen mit ihnen die Ferien von den Ferien.

Im Nationalpark Plitvicka jezera

Im Nationalpark Plitvicka jezera

Von Split aus fahren wir etwas ins Landesinnere bis nach Mostar in Bosnien Herzegowina. Von hier aus schnappen wir uns den Bus nach Sarajewo. Im Bus lernen wir einen Mann kennen, welcher sogar schon mal in der Schweiz war. Auf die Frage, wo denn genau, antwortet er mit «Thorberg». Wir konnten uns vor Lachen fast nicht erholen… aber angeblich war es nur wegen einer Visumsgeschichte, also nicht so schlimm wie wir befürchtet hatten.

Letzter Abend in Split

Letzter Abend in Split

Die Spuren, die der Krieg hinterlassen hat, sind in diesem Land noch am deutlichsten zu sehen. Natürlich auch in Sarajewo, wo die Belagerung durch bosnische Serben und der Jugoslawischen Bundesarmee 1425 Tage angedauert hat. Auf einer Tour durch die Stadt erfahren wir viel über die Zeit, in welcher Sarajewo eingekesselt war und fast täglich Anschläge stattfanden. Unter anderem auch, dass sie zum Teil Dosenfleisch aus den 70er Jahren von der UN erhalten haben, welches so schlecht war, dass nicht mal die Katze etwas davon abhaben wollte. Aber die Menschen hier haben trotz allem versucht sowas wie einem Alltag nachzugehen. Sie haben geheiratet, Kinder gekriegt, sich scheiden lassen und so weiter. Diese Einstellung hat uns sehr beeindruckt.

Stadtführung durch Sarajewo, hier vor einem Haus mit Bombeneinschlag

Stadtführung durch Sarajewo, hier vor einem Haus mit Bombeneinschlag

Da Sarajewo die Hauptstadt ist, wurde auch viel in den Wiederaufbau investiert. Die Trams sind aber vermutlich noch dieselben wie vor dem Krieg. Wahrscheinlich konnten Slowenien und Kroatien auch dank dem EU-Beitritt wirtschaftlich einen grossen Sprung nach vorne machen. Dies ist hier nicht der Fall: man kommt sich vor wie 20 Jahre zurückversetzt, einfach mit WLAN.

Eines der Trams in Sarajewo...immerhin braucht's keine Lüftung

Eines der Trams in Sarajewo...immerhin braucht's keine Lüftung

Bosnien Herzegowina besitzt seit dem Mittelalter einen 20km langen Küstenabschnitt, welcher Dubrovnik vom Rest Kroatiens trennt. BiH, damals Teil des Osmanischen Reichs, hatte mit der Region von Dubrovnik einen Deal gemacht, um einen Angriff oder einer Stärkung der Venetier zu verhindern. Heute ist dies eher eine Belastung, denn hier muss zwei Mal hintereinander die Grenze überquert werden. In dieser touristischen Region bedeutet dies im Sommer lange Wartezeiten. Wir hätten eigentlich vorgehabt, die Grenze etwas weiter im Landesinneren, auf einem Berg zu passieren. Als wir endlich oben waren meinte der Grenzwächter, dass dieser Übergang nur für Locals sei. Ja Merci viel Mal! In einer Selbstverständlichkeit winkt er uns ab und sagt, dass wir bloss 1 Kilometer den Berg wieder runter müssen und dann nach 10 Kilometer (und einen weiteren Berg wieder hoch) käme dann schon der andere Grenzübergang. Der weiss wohl nicht wie es sich anfühlt, wenn man mit einem vollbeladenen Fahrrad die letzte Stunde gegen den Berg angekämpft hat.

Bald kommt der Grenzposten

Bald kommt der Grenzposten

Nach Dubrovnik nehmen wir eine alte Strasse um dem Verkehr zu entweichen. Bevor es wieder auf die Hauptstrasse geht, profitiert Ade noch kurz und geht pinkeln. Als sie zurückkommt, steht Sandra da mit vier weiteren Tourenfahrer. Zwei aus der Schweiz, Gäbu und Babs, und zwei Engländer, Gwilym und Catherine. Spontan fahren wir mit ihnen weiter, da die Strecke für alle die selbe ist. Wir haben uns viel zu erzählen. Sie sind auch schon seit Juli oder August in Europa unterwegs. Mittags suchen wir uns einen Picnicplatz, unweit von einer Einfahrt zu einem Haus. Der Besitzer kommt uns begrüssen und lädt uns auf eine Runde Weisswein ein. Zwei Flaschen später sitzen wir wieder auf dem Velo und machen uns auf den Weg Richtung montenegrinische Grenze. Es ist schnell beschlossen auch die nächsten Tage miteinander zu fahren. Wir verstehen uns super, die Abwechslung tut gut und wir können zu sechst günstig in Unterkünften übernachten. In Montenegro selber waren wir nur zwei bis drei Tage, wobei uns die Bucht von Kotor speziell gut gefallen hat. Weiter testen wir so gut es geht die Nebenstrassen aus, da die Küstenstrasse ziemlich viel Verkehr hat. Die Sache ist zwar ziemlich anstrengend, aber wir fahren durch sehr schöne Landschaften und kleine Dörfer mit netten Einwohnern.

Spontane Einladung zu einer Flasche Wein oder zwei nach dem Mittagessen

Spontane Einladung zu einer Flasche Wein oder zwei nach dem Mittagessen

Die Zeit vergeht wie im Flug und wir stehen bereits an der Grenze zu Albanien.

Und wie immer zum Abschluss noch ein kleines Filmli...

Benvenuto in Eataly

Es ist ja schon so, dass es sehr speziell war, als wir in den Flieger gestiegen sind und diese Kilometer zwischen Vilnius und Venedig einfach mal schnell innert paar Stunden abgejettet sind. Mann wären dies viele Tage radfahren gewesen!

Knappe 1000 Kilometer weiter südlich erwartet uns ein ganz anderes Klima. Fertig Regen, fertig frieren, fertig Socken ausdrehen, fertig Plastiksäcke über die Schuhe stülpen.

Hallo bella Italia und Dolce far niente. Da sind wir nun. In dem Land, dem nachgesagt wird, es habe die beste Küche der Welt.
Erstmal aber kämpfen wir mit dem Transport unseres tonnenschweren Gepäcks vom Flughafen zum Campingplatz. Zugegeben: klar hätte man einfach 40 Euro plus 10 Euro - für die Extraleistung wegen der grossen Gepäckstücke - dem Taxifahrer für lächerliche 5 Kilometer in die Hand drücken können. Nicht aber mit uns! Da haben sie sich die falschen Touristen ausgesucht. Neeeein, wir Feilschen um 11 Uhr nachts lieber mit dem Taxifahrer, erklären ihm was unsere Vorstellung eines fairen Preises sein sollte und drohen mit «sonst nehmen wir den Bus», denken aber gleichzeitig «das wäre voll Kacke, wenn wir mit all dem Gepäck in den Bus steigen müssten». 10 Minuten später sind wir im Bus… bezahlen einen Bruchteil des Preises und gemäss Fahrplan sollte der Bus auch genau beim Camping anhalten. Nun ja….fast beim Campingplatz. Wahrscheinlich war der Buschauffeur zu faul um bis an die Haltestelle zu fahren. Oder er findet es einfach witzig, zwei übermüdete Touristinnen vor der Kurve und etwa 200m vor dem Camping rauszulassen. Wir schleppen den ganzen Scheiss bis zum Camping, teilweise mit Hilfe eines Lidl-Einkaufswagen, der uns die Nachtwache netterweise organisiert hat. Von unseren ersten paar Stunden in Italien sind wir noch nicht so begeistert.

Auf dem Weg zum Campingplatz

Auf dem Weg zum Campingplatz

Am nächsten Tag sieht die Welt wieder anders aus. Zwar müssen wir uns im Süden noch daran gewöhnen, dass Klopapier und WLAN nicht zur Grundausstattung eines Campingplatzes gehören, sondern als Extraleistung zusätzlich erworben werden müssen, der Rest ist aber ganz ok. Und vor allem können wir Mittags wieder die Schuhe auslüften, im Meer baden und Antipasti essen bis uns schlecht wird. Und wenn wir schon alle Hosenknöpfe geöffnet haben um dem Bauch etwas Platz zu machen, dann heissts «devi mangiare di più».

Plättchen?

Plättchen?

In den paar Tagen Italien haben wir nicht gegeizt an Nahrungsmittel: Unsere Mittagsessen bestanden ausschliesslich aus Antipasti, Burrata und leckeres Brot. Anstatt am Strassenrand zu pinkeln haben wir lieber eine Bar aufgesucht um gleich einen richtigen Espresso zu trinken. Und natürlich haben wir jeden Tag mindestens ein Gelati gegessen (oder Gelato weil Singular?). Lokaler Wein gehört auch zu unserem Standardprogramm. Ist zwar nicht das Beste für die Regeneration der Muskeln, aber gut fürs Gemüt.

Ein Eis ist für Anfänger

Ein Eis ist für Anfänger

Versteht uns nicht falsch, bisher hatte jedes besuchte Land sehr leckere Spezialitäten. Doch eine solche Palette an guten Essen gibt’s nur in Italien.

Apropos Essen. Auf unserer Reise dreht sich so manches, wenn nicht alles ums Essen. Das können auch andere Radfahrer bestätigen, ist also nicht nur bei uns verfressenen Velofahrerinnen so. Hier eine kleine Übersicht, was wir schätzungsweise in den ersten 6 Monaten gefuttert haben:

  • 360 Bananen, also 40kg
  • 126 Liter Milch
  • 18kg Müsli
  • 9kg Schokolade
  • 20kg Pasta